Das Klicken des Feuerzeugs blendet für einen Augenblick das Rauschen der Stadt aus. Ich mag Flammen. Sie sind freundlich, spenden Wärme, trösten, zünden Zigaretten und Kerzen an. Bei einem Feuer sieht das anders aus.
Kurz vor eins. An der zugesagten Stunde ist nicht mehr viel dran. Ich hänge an Teshi. Im ursprünglichen Sinn. Wie ein Vogel an der Leimrute. Als hätte er eine Falle ausgelegt und ich wäre blind hineingetappt. Bin ich auch. Erfahrungsgemäß geht das schlecht aus. Nach meiner Entlassung habe ich mir geschworen, bis auf weiteres mein Herz zugeknöpft zu lassen. Bis vorgestern habe ich es durchgezogen. Was verschlossen ist, ist sicher. Keine Verletzungsgefahr. Teshi ist gerade dabei, mir die Knöpfe abzureißen. Was fesselt mich an ihm? Die schrägen Augen? Das auf eine seltsame Weise schöne Gesicht? Sein Geheimnis, das ihn dichter umgibt als der Novembernebel den Devil’s Lake?
Oder ist es die fatalistische Hilflosigkeit Cutter gegenüber, gepaart mit der kühlen Distanz seines dunklen Blickes?
Jemand stolpert aus dem Versicherungsgebäude.
Teshi. Von dem zweiten Mann keine Spur. Nach wenigen Schritten fällt er auf die Knie, kippt zur Seite und bleibt liegen.
Scheiße! Ich schnippe die Zigarette weg, setze über die Absperrung, renne zu ihm. Sein Gesicht ist aschfahl, seine Augen geschlossen.
Ein Schlag auf die Wange, und sie öffnen sich.
»Sag mir jetzt ja nicht, dass du okay bist.« Das nächste Krankenhaus ist seins.
»Bin ich nicht.« Seine Lippe zittert beim Sprechen. »Hilf mir hoch.«
Ich habe schon gewichtigere Männer abgeschleppt. Ins Bett und ins Lazarett. Ich lege mir seinen Arm um die Schulter, nehme Kurs auf den Jaguar. »Ein Drogenexperiment? Illegale Versuche mit was weiß ich was?«
»Nur mein Job.« Das kehlige Geräusch soll vermutlich ein Lachen sein. »Ich bin nicht sehr gut darin.«
»Dann werde besser, verdammt!«
Wieder dieses Geräusch. »Ich denke nicht, dass du das willst.«
»Was ist das für ein Job?« Nichts Legales. Das ist klar.
»Keine Fragen, Getty.«
Ich hätte das Kleingedruckte des Vertrages verhandeln müssen.
Richtig, es existierte nicht.
Ich will ihn in den Wagen setzen, doch er winkt ab. »Du riechst nach Rauch. Gibst du mir auch eine Zigarette?« Er stützt sich mit den Händen am Holm ab, atmet so schwer, als wäre er um sein Leben gerannt.
Ich zünde ihm eine an, er nimmt sie mir direkt von den Lippen. Er inhaliert tief, schließt dabei die Lider. Er lässt sich Zeit, bis er ausatmet. »Bleib heute Nacht bei mir.« Der schwarze Wimpernkranz hebt sich. Mich trifft ein Blick, der mir in den Unterleib fährt. Lasziv. Der Begriff beschreibt nicht ansatzweise den Ausdruck dieser fantastisch dunklen Augen.
»Was ist mit Cutter?« Ich muss mich räuspern, klinge dennoch heiser. »Leistet der uns Gesellschaft?«
»Ja.«
Ich sinke mit dem Rücken gegen den Wagen. »Ich soll dich ficken, während er zusieht?«
Teshi legt mir den Finger auf die Lippen.
Er riecht nach After Shave, aber nicht nach seinem.
»Ich hasse dieses Wort.«
»Und ich hasse Zuschauer«, nuschele ich.
»Mach mir die Tür auf.« Auf seiner Stirn bilden sich Schweißperlen. »Mir wird schwindelig.«
Bevor ich ihm gehorche, pflücke ich ihm die verdammte Zigarette aus der Hand.
Er sinkt auf die Rückbank, lässt sich nach hinten fallen. »Komm her.«
»Hier?« Die University Ave ist auch um ein Uhr nachts ein ungünstiger Ort, um es als Mann mit einem Mann zu treiben. Selbst wenn Teshi eine Frau wäre, hätte ich meine Bedenken.
Er setzt sich auf, nimmt meine Hand, zieht mich über sich. »Lege deinen Kopf auf meine Brust.«
»Teshi, ich weiß nicht …«
»Tu es.«
Ich bete, dass niemand mitbekommt, was hier läuft.
Ich lege mich auf ihn, spüre die Erregung, die mich trotz meiner Anspannung heimsucht. Während ich meinen Kopf auf seine Brust bette, steigt mir erneut dieser fremde Duft in die Nase. »Du bist deinem Terminpartner ziemlich nah gekommen, hm?«
»Sehr nah«, flüstert er. »Hörst du ihn?«
»Wen?«
»Den Mann.«
Alles, was ich vernehme, ist Teshis hart schlagendes Herz. Er ist durcheinander, komplett verwirrt. Wen er auch getroffen hat, er hat ihm nicht gutgetan. »Ich fahre dich jetzt zurück zu Socken-Joe.«
»Würden mich mein Mantel und mein Hemd nicht von deinem Atem trennen, könnte ich ihn auf meiner Haut spüren.«
Ich greife in die Knopfleiste, reiße sie auseinander. Die Knöpfe spritzen an die Lehne der Rückbank. Dasselbe mache ich mit dem Hemd. Ich lecke über die haarlose Brust, necke mit der Zungenspitze einen der Nippel. Ich puste über die feuchte Spur.
Teshi erschaudert, stöhnt wunderbar tief, wie es nur Männer vermögen. Ich schwelge in dem Geräusch, puste ein zweites Mal.
»Oh Gott.« Teshi fasst mir in den Nacken, wölbt mir seinen schmalen Brustkorb entgegen.
Ich streife den glatten Stoff beiseite, verwöhne die entblößte Haut mit Zunge und Zähnen.
Teshi windet sich hilflos unter mir, während ich dabei bin, den Verstand zu verlieren. Als ich seinen Nabel erreiche, die feinen schwarzen Härchen darunter mit den Lippen zupfte, entkommt ihm ein Wimmern. Mehr um ihn zu beruhigen, lege ich fest die Hand in seinen Schritt. Ich spüre sein Zucken, sehne mich an einen einsamen Ort ohne fremde Augen und Ohren.
Sein schweres, keuchendes Atmen setzt meine Nerven in Brand. Er steht in Flammen, ebenso wie ich.
»Ich fahre dich jetzt zum Hotel.« Ich bin so weit, dass mir Socken-Joe den Buckel runterrutschen kann.
»Ich will zu dir nach vorn.« Teshi schlingt die Arme um meinen Nacken und ich ziehe ihn mit mir hinauf. »Ich kann nicht klar denken, kaum stehen.« Sein Gesicht schmiegt sich an meinen Hals. »Aber bei dir …«
Ich spüre sein Lächeln an meiner Haut.
»Halt lieber den Mund.« Spätestens morgen bereut er sein Süßholzraspeln. Ich helfe ihm aus dem Fond, platziere ihn auf den Beifahrersitz. Er wirkt wie frisch aus dem Wind geschossen. Ich muss herausfinden, was ihm während dieser Termine widerfährt und warum er nach anderen Männern riecht.
»Verkaufst du dich?« Das würde einiges erklären.
Er sieht mich an, schüttelt den Kopf. »Keine Fragen.«
»Ist eine Scheißregel.«
»So wie keine Küsse?«
Die ist noch beschissener.
Ich starte den Wagen, lenke ihn durch die klirrend kalte Winternacht. Teshi sitzt ganz still, die Hand auf der nackten Brust, den Blick ins Leere gerichtet.
Was geht hinter seiner Stirn vor?
Ich parke auf dem Hotelparkplatz, lasse Teshi ein paar Minuten, um aus seiner Abwesenheit zu erwachen.
Aus den Tiefen seiner Manteltasche summt es. Umständlich fischt er das Handy hervor, starrt auf das Display. »Senpai.«
»Um Himmels willen! Nenn den Kerl beim Namen!«
»Er wartet auf mich.«
Ich nehme ihm das Ding ab, schreibe: Teshi kommt nicht allein, und werfe es ihm in den Schoß. »Ich könnte ihm fünfzig Dollar in die Brusttasche stecken und ihm raten, sich in der Hotelbar einige Drinks zu gönnen.«
Teshi sieht mich an. Ein Hunger in den Augen, der mich schlucken lässt. Bevor ich die Kontrolle über mein Handeln verliere, stürze ich aus dem Auto, öffne ihm die Tür und ziehe ihn in meinen Arm.
»Ich werde es büßen«, flüstert er. »Aber das ist es mir wert.«
»Einen Dreck wirst du.« Fahrig richte ich ihm Hemd und Mantel, dass die Dame an der Rezeption wenigstens erst auf den zweiten Blick begreift, was geschehen ist.
Er schwankt neben mir, während wir zum Fahrstuhl eilen. Er reicht mir seine Zimmerkarte. Praktisch, wir sparen uns die Lobby, fahren direkt in den fünften Stock.
Teshi verharrt vor der Zimmertür, lehnt einen Augenblick die Stirn dagegen. Er murmelt etwas in einer Sprache, die ich nicht kenne.
»Wir können woanders hingehen.« Im Zweifel zu mir nach Hause. Nelly muss damit klarkommen.
»Nein, können wir nicht.« Die Karte gleitet über den Sensor, mit einem leisen Knacken schwingt die Tür auf.
Das Zimmer ist dunkel, obwohl die zweite Karte im Kontakt steckt.
Cutter steht vor dem Fenster. Mit dem Rücken zu uns.
Teshi zieht den Mantel aus, tritt hinter ihn. Ich höre ihn wispern, verstehe kein Wort.
Cutter nickt, wendet sich zu ihm. Er streicht ihm das Hemd von den Schultern, scheint ihn zu betrachten. Ich sehe seine Augen nicht, nur die schwarze Silhouette vor der Fensterfront.
Er führt Teshi zum Bett, drückt ihn aufs Laken. Er kniet sich über ihn, raunt ihm etwas ins Ohr.
»Nein.« Teshi schüttelt den Kopf. »Senpai, bitte nicht.«
»Es war deine Entscheidung, Kōhai. Jede Ursache fordert ihre Wirkung.«
»Ich lasse ihn gehen.« Er versucht, sich aufzurichten, doch Cutter stößt ihn zurück in die Kissen.
»Dazu ist es zu spät. Ich verhandele nicht.«
»Runter von ihm oder ich helfe nach.« Ich habe lange genug zugesehen.
Cutter wendet sich zu mir. Dort, wo seine Augen sein sollten, ist Schwärze. Es liegt am fehlenden Licht, an den Schatten, die das nächtliche Zimmer fluten. Dennoch schaudert es mich.
»Du wirst für ihn da sein.« Seine Stimme klingt kalt. »Tag und Nacht, jede Sekunde deines Lebens.« Langsam steigt er vom Bett, tritt dicht vor mich. »Du erhältst den höchsten Lohn, den sich ein Mensch nur wünschen kann.« Er sieht zu Teshi, der die Finger ins Laken krallt und zur Decke starrt. »Und ich werde dafür sorgen, dass dich nichts von deiner Aufgabe ablenkt.«
Plötzlich ist es still. Zu still für eine Großstadt. Cutters Worte fallen ins Bodenlose. Seltsam, ich höre jede Silbe wieder und wieder.
Unter meinen Füßen schwankt es.
Schritte, die leiser werden. Irgendwo weit weg klickt ein Türschloss.