Ich erzähle dir Geschichten in der Nacht.
Das Feuer prasselt und Funken sprühen.
Ich mag das. Das bin ich. Nicht wirklich da, denn du achtest nicht auf mich. Du hörst nur zu, verfällst meinen Worten, die dich in fremde Leben locken.
Sieh dich ruhig um. Fürchte dich ein wenig, wenn du aus dem Staunen herausgekommen bist. Nicht alles, was ich vor dir ausbreite, ist friedlich. In den Ecken lauern Gefahren, die du aus deinem Leben nicht kennst. Dabei begleiten sie dich seit deinem ersten Atemzug. Irgendwann hast du dich entschieden, sie in die Dunkelheit zu drängen und zu vergessen.
Ist sicherer so. Ungefährlicher. Für dich, deine Seele, die Menschen, denen du Glauben machst, du seist harmlos.
Es fällt mir leicht, die Schatten aufzuspüren. Deine sind meine und meine kennst du ebenfalls längst.
Wenn du dich nur trauen würdest, hinzusehen.
Ich ziehe sie aus ihren Ecken und lege eine Spur zu deinem Herz, damit sie dich finden. Sie wollen ihr Recht: ein klein wenig Beachtung in der bonbonbunten Welt.
Ich werfe einen Stock ins Feuer und die Flammen schlagen höher. Ich will die Schatten tanzen lassen. An den Wänden aus Nacht und nicht-sehen-wollen ragen sie weit über unsere Köpfe.
Du brauchst lange, bis du erkennst, dass ich nicht unbedingt auf deiner Seite stehe. Du ziehst die Schultern bis zu den Ohren, siehst dich vorsichtig um.
Es ist längst zu spät zur Flucht. Gleichgültig, was du fürchtest, es steht bereits hinter dir und haucht dir in den Nacken.
Du hast Angst, dass es zuschlägt, einen Krater in deine Seele reißt und dich zurücklässt.
Du wartest umsonst auf die Pranke in deinem Genick.
Still nimmt der Schatten neben dir Platz, zieht die Beine an und schlingt die Arme um die Knie. So wie du. So wie du, rutscht er näher ans Feuer. Auch wenn es aus einem anderen Grund geschieht. Du willst Wärme und Geborgenheit. Er will das Licht, um dunkler werden zu können.
Langsam kriecht Kälte durchs Gras. Die Flammen werden kleiner und mir gehen die Stöcke aus. Auch meine Stimme ist bloß noch ein Flüstern. Im Osten bilden wir drei uns einen grauen Streifen ein. Du atmest erleichtert auf. Das Dunkle neben dir seufzt. Es verliert bereits Kontur.
Die Glut zischt. Der Tau macht ihr zu schaffen.
Ich bin längst weg. Du hast das letzte Wort gar nicht mehr gehört. Steif vor Kälte stehst du auf und wartest auf das Rot am Himmel. Sorgfältig kontrollierst du, ob alle Schatten wieder in ihren Ecken aus Nichts und Leere verschwunden sind. Als die ersten Strahlen dein blasses Gesicht treffen, entscheidest du dich zu einem Lächeln und dem Wissen, nur geträumt zu haben. Aus deinen zögernden Schritten werden ausgreifende. Die Nacht liegt hinter dir.
Ich sehe deinem Kleinerwerden in der Ferne zu, bis du als Punkt in der Sonne verschwindest. Ich strecke meine Beine aus und puste mir Wärme in die Hände.
Du kommst wieder. Ich muss nur warten.
Bis zur Nacht.
Toll. Die Nacht als einen Moment der Ruhe, in dem der Mensch einmal nicht auf das äußere fixiert ist und gegen sich selber ankämpfen muss?
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Die Nacht als Moment, in dem man alles zulassen darf und Masken abgenommen werden. Ja.
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